Wieso geht es hier auf einmal um Käse statt um berufliche Neuorientierung? Weil die Liebe zum Käse mich auf neue Ideen für mein Berufsleben brachte.
Ich war spätestens nach meinem Studium in Frankreich süchtig nach Ziegenkäse. Deshalb habe ich 2016 eine Ausbildung zur Käserin gemacht. Eigentlich nur zum Spaß – es war als Hobby gedacht. Aber es führte dahin, dass ich 2018 eine Käserei in Brandenburg gegründet habe! Diese ganze Geschichte findet ihr auf dem Blog Female Makers.
Danach habe ich als Verkaufsleiterin gemeinsam mit einem Käser ein echtes Abenteuer in der Schweiz bestanden. Wir haben für eine traditionelle Sennerei in den Bergen den Übergang von einem Familienbetrieb hin zu einer Genossenschafts-Käserei gestaltet. Unser Aushängeschild war der Mascarplin.
Zuvor hatte ich bereits so manche Alp in der Schweiz besucht. Käse hat einen festen Platz in meinem Herzen – und der Rohmilchkäse einen ganz besonderen! Und davon erzähle ich jetzt.
Käse – meine Liebe
Rohmilchkäse verbinde ich spontan mit Frankreich und Ziegen. Denn das war meine erste Begegnung. Das war nach dem Abitur in der Ardèche. Kleine Crottins – weich oder steinhart, Aromabomben.
Damals gab es in Deutschland noch nicht so guten handwerklichen Käse wie heute. Und ich wusste nicht, wo um Himmels willen ich diese guten Käse in Deutschland kaufen kann.
Heute ist das glücklicherweise anders. Es gibt einige sehr gute Hofkäsereien in Deutschland wie Scellebelle in Münster oder den Ziegenhof in Ogrosen in Brandenburg. Ich liebe den „Kato“ aus der belgischen Ziegenkäserei Karditsel. Ein gereifter Frischkäse, den ich am liebsten fast flüssig mit dem Löffel direkt aus der Spanschachtel esse.
Meine Palette an sensorischen Erfahrungen hat sich seit den 80ern natürlich erweitert. Ich habe mich stets munter durch alle erdenklichen Hofkäse-Angebote geschmeckt.
Und natürlich ist auch mein Wissen um die Herstellung enorm gewachsen, seitdem ich an der Molkereifachschule in Wangen im Allgäu die Schulbank gedrückt habe und selbst gekäst habe. Rohmilchkäse ist einfach immer für eine Überraschung gut.
Was ist Rohmilchkäse?
Ganz einfach: Käse aus frisch gemolkener Milch, die vor dem Käsen nicht stark erhitzt wurde.
Im Falle meiner Lieblinge aus Frankreich wird die Milch nicht über Körpertemperatur erhitzt. Es kann aber auch heiß zur Sache gehen wie in den Schweizer Alpen. Das habe ich mir bei meiner Freundin auf einer Alp im Berner Oberland genau angeschaut.
Auf dem Foto flattern die Käsetücher auf der Wäscheleine im Wind vor der Hütte. Das ist mittlerweile aufgrund der Hygienevorschriften seltener geworden. Auf den Alpen im Berner Oberland ist es noch Alltag.
Hier hat eine Freundin von mir Berner Alpkäse gemacht. Es wird auf dem offenen Feuer gekäst. In der Käserei herrschen dann saunaähnliche Zustände.
Tradition und echtes Handwerk
So ein Berner Alpkäse ist natürlich gegenüber einem Crottin ein Schwergewicht. Dieser rund zehn Kilo schwere Laib will jeden Tag bei der Käsepflege gewendet werden. Dafür braucht es schon Muckis. Denn es gibt einen ganzen Speicher voller Käse, der sich im Laufe des Sommers immer weiter füllt.
Aber auch die Herstellung ist nicht ohne. Sie ist im Pflichtenheft für diesen AOP-Käse beschrieben. Die Abkürzung AOP steht für „Appellation d’Origine Protégée“, was soviel bedeutet wie: geschützte Ursprungsbezeichnung. Und das heißt, es müssen viele Vorschriften eingehalten werden.
Es fängt bei der Rohmilch an, die nur von den Kühen auf den Alpwiesen stammen darf. Im allgemeinen geht die Saison von Mai bis Oktober.
Auch die Herstellungsschritte sind genau vorgeschrieben. Meist wird mit Sirtenkultur gekäst. Das heißt, die Milchsäurebakterien für die Käseherstellung stammen direkt aus der Milch der Alpkühe und werden von der Käserin oder dem Käser jeden Tag weiter gezüchtet.
Das Käsen selbst läuft noch wie vor hundert Jahren ab: Auf der Alp Traubach wird die Milch im Kupferkessel auf dem Holzfeuer erhitzt.
Der Käsebruch wird mit einem Tuch ausgezogen. Was heißt das? Bei über 50 Grad geht die Käserin oder der Käser mit den Armen tief in den Kessel, um den Bruch mit dem Käsetuch herauszuheben.
Auf der einen Seite ist das Tuch um einen Metallbogen gewickelt, den man mit beiden Händen an den Enden greift. Die andere Seite des Tuches hält die Käserin mit dem Mund – sie nimmt einfach beide Ecken und beißt fest darauf . Da ist Übung gefragt. Die Arme taucht sie vorher in eiskaltes Wasser, damit der Hitzeschock für die Haut nicht so groß ist.
Sie fängt morgens früh mit dem Aufwärmen der Milch an und hört spät abends mit dem Wenden der Laibe auf der Käsepresse auf.
Am nächsten Morgen werden die Laibe aus der Form genommen, gekennzeichnet und ins Salzbad getragen. Von dort wandern sie auf Holzbretter, wo sie anfangs jeden Tag mit Salzlake abgerieben und gewendet werden. So entwickelt sich eine schützende Rinde.
Im Käse steckt die Landschaft
Dazu könnte ich noch viel mehr erzählen. Aber diese kleine Einblick zeigt schon, weshalb ich Rohmilchkäse liebe: Es stecken die Aromen der Landschaft darin (Alpwiesenkräuter), lange handwerkliche Traditionen, viel Arbeit mit Fingerspitzengefühl, Erfahrungswerte und Übung sowie Sorgfalt und Respekt im Umgang mit den Tieren.
Es ist kein standardisierter Prozess, der automatisch abläuft. Die Milch verhält sich beim Käsen unterschiedlich, je nachdem auf welcher Weide die Kühe waren und wie jung oder alt die Gräser waren.
Alles braucht seine Zeit, nicht nur die Reifung der Käse. Damit man überhaupt Käse herstellen kann, sind jede Menge anderer Arbeiten zu erledigen.
Das Holz zum Heizen des Kessels muss gespalten und gestapelt werden. Jeden Morgen werden die Kühe von der Nachtweide in den Stall geholt und gemolken, nach dem Käsen wird der Stall ausgemistet und frisch für die Kühe eingestreut. Oft wird die beim Käsen entstehende Molke an die Schweine verfüttert. Manchmal gibt es auch noch Hühner zu versorgen.
Das alles hat seinen Preis – und der Käse ist es mehr als wert. Wenn du handwerkliche hergestellten Rohmilchkäse im Laden findest – unbedingt kosten!